Am 14. September fand in Basel das fünfte Forum Pharmazie statt. Die diesjährige Ausgabe war dem Dauerthema Kosten gewidmet. Mit dem Preisüberwacher und dem CEO der Swica Gesundheitsorganisation durften sich die Teilnehmer auf einen spannenden Nachmittag freuen.
Wo stehen die Kosten, wo gehen sie hin?
Im ersten Referat erläuterte Rahel Schneider, Apothekerin und Erstautorin des jährlichen Helsana Arzneimittelreports, einige Kennzahlen zu den Gesundheitskosten.
Das Schweizer Gesundheitswesen kostet jährlich rund 80 Milliarden Franken. Die öffentliche Krankenpflege Versicherung (OKP) deckt 35% dieser Kosten ab, und der Rest wird mehrheitlich durch die Kantone gestemmt. Medikamente machen somit 13% der Gesamtkosten und 21% der OKP-Kosten aus.
Die Preisüberprüfungen des Bundesamts für Gesundheit haben seit 2011 zu Einsparungen von einer Milliarde Franken geführt, wovon die Apotheken überproportional betroffen waren. Das Wachstum der Medikamentenkosten geht auf wenige innovative Wirkstoffe zurück; 1.7% des ganzen Abgabevolumens sind für 30% der Kosten verantwortlich.
Das Fazit: Eine reine Preisdiskussion liefert ein fragmentarisches Bild über die gesamten Therapiekosten, da der Gesamtnutzen eines Medikamentes und dessen korrekte Anwendung nicht in Betracht gezogen werden.
Wird die Grundversorgung kaputtgespart?
Im zweiten Vortrag legt der pharmaSuisse Präsident Fabian Vaucher dar, dass die aktuelle Gesundheitspolitik Gefahr läuft, die preiswerte Grundversorgung durch Sparmassnahmen zugunsten der teuren Spitzenmedizin zu gefährden. Die Arzneimittel der Grundversorgung verursachen weniger als die Hälfte der Kosten, wobei die günstigsten Präparate schon heute nicht mehr kostendeckend sind. Das Referenzpreissystem würde die bestehenden Fehlanreize bei diesen Präparaten nur verschärfen.
Das Parlament handelt in der Überzeugung, mit dem Billigstprinzip den Wettbewerb zu erhöhen. Doch dies bedroht besonders versorgungsrelevante Betriebe in niedrig frequentierten Landlagen und in den Quartieren. Gerade hier aber sparen die Apotheken als erste Anlaufstelle viele Kosten ein.
Seine Forderungen sind klar: Apotheker können Kosten sparen, ihre Leistungen müssen aber in einem angemessenen Tarif, der die effektiven Kosten abdeckt und unabhängig vom Produktepreis ist, abgegolten werden.
Viel Leistung für wenig Entgelt
Markus Messerli, Apotheker und Gründer des Pharmaceutical Care Network Switzerland (PCN-S), illustrierte mit konkreten Fallbeispielen, wie sehr die Abgeltung für Apotheker ihrer Rolle in der Versorgung, Beratung und Betreuung hinterherhinkt: Statt 400 Franken in der Notfallstation zulasten der Versicherung kostete die Versorgung eines sechsjährigen Knaben nach einem Sturz inklusiv Nachbetreuung in der Apotheke 66.80 Franken, die der Patient selber bezahlte. Die Herstellung von Sildenafil-Kapseln für einen Mann mit angeborenem Herzfehler spart den Krankenkassen jährlich tausende von Franken gegenüber dem zugelassenen SL-Medikament. Für den Therapiestart mit einem Antikörper-Medikament zur Injektion investiert der Apotheker 45 Minuten Gratisarbeit.
Markus Messerli erzählte ebenfalls von seinem Austausch mit 14 jungen Hausärzten vom regionalen Stammtisch Luzern über die Tätigkeiten in der Apotheke. Er sprach von «Ärzteaufklärung», denn diese hätten während ihrer ganzen Ausbildung keinerlei Kontakt mit Apothekern. Der persönliche Kontakt ermögliche die Kommunikation auf Augenhöhe und schaffe Grundlagen für eine Kollaboration.
Abschliessend stellte er das neue Pharmaceutical Care Network Switzerland (PCN-S) vor. PCN-S hat die unabhängige Förderung der pharmazeutischen Betreuung in der Schweiz zum Ziel und richtet sich auch an Pharma-Assistentinnen, Drogistinnen, Pflegefachpersonen und Ärzten.
Verhärtete Preisfronten
Danach folgte die Podiumsdiskussion, moderiert von Andreas Schwald, Online-Chef der az-Medien. Neben den Stammgästen Fabian Vaucher und Christoph Meier, Vorsteher des Departements Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Basel, waren auch der Preisüberwacher Stefan Meierhans und Reto Dahinden, CEO der Swica Gesundheitsorganisation zu Gast.
Trotz Warnungen, dass das Problem der Lieferengpässe dadurch noch weiter verschärft wird, verteidigte Stefan Meierhans die Einführung des Referenzpreissystems vehement. Die Lieferengpässe seien nicht das Resultat zu niedriger Preise, sondern der Profitgier der Pharmamultis, welche die Produktion in Tiefpreisländern zentralisiere. Man dürfe sich nicht über das Preisargument erpressbar machen. Er unterstütze die Apothekerschaft im Übrigen und verteidige die Apotheker-Checks der LOA häufig gegenüber wütenden Konsumenten.
Dahinden plädierte gegen das numerische Definieren von Sparzielen und für eine Restrukturierung zugunsten mehrwertstiftender Strukturen. Die Zielsetzung müsse in der guten Versorgung der Bevölkerung liegen. Zudem bemängelt er Quersubventionierungen im Gesundheitswesen. Er finde es entwürdigend, dass sich viele Apotheken mit dem Verkauf von Bonbons finanzieren müssen, weil medizinische Leistungen nicht vergütet werden. Er habe jeweils ein schlechtes Gewissen, wenn er sich in seiner Stammapotheke beraten lasse, ohne etwas zu kaufen.
Auch der Preisüberwacher kritisierte das Festhalten an alten Strukturen. Allerdings blockiere auch die Bevölkerung notwendige Reformen, indem sie mit Volksentscheiden die Erhaltung von zu vielen Spitalstandorten fördert.
Meier schlägt eine Revision der Versorgungsstruktur vor, wobei private Anbieter die Versicherung in der üblichen Grundversorgung und eine staatliche Versicherung die teure Spitzenmedizin übernehmen würden.
Aus dem Publikum meldete sich Spitalapotheker Enea Martinelli zum Votum des Preisüberwachers: „Wir sind in der Schweiz bereits erpressbar“. Der Schweizer Markt sei im internationalen Vergleich unbedeutend und müsse sich darum aktiv darum bemühen, von der Industrie noch beliefert zu werden. Er lieferte dazu einige Praxisbeispiele, wo Patienten wegen Lieferengpässen auf deutlich teurere Therapien umgestellt wurden. Meierhans forderte hier, die bereits existierenden Instrumente zu nutzen. Mit Zwangslizenzierung könne der Staat die Medikamentenproduktion an günstige Anbieter delegieren.
Angesichts der ausartenden Sparrunden forderte Fabian Vaucher Planungssicherheit für die Apotheker. Das System befinde sich in einem dramatischen Wandel, doch wenn die finanziellen Mittel dafür frühzeitig gekappt werden, wird der Umbau des Systems nicht zustande kommen. Es brauche Raum für Investitionen.
Mepha-Chef Andreas Bosshard kritisierte die Berechnungen, laut denen das Referenzpreissystem hunderte von Millionen Franken sparen solle. Die verfügbare Datengrundlage sei für Prognosen ungenügend. Auch pharmaSuisse-Generalsekretär Marcel Mesnil stört sich an willkürlichen Berechnungen. Dahinden entgegnete, dass die Diskussion auf die patientenfreundliche Versorgung statt auf den Wahrheitsgehalt von Kostenstudien fokussieren sollte. Insbesondere wünscht er sich mehr Freiheiten bei der Ausgestaltung von Managed Care-Modellen.
Bezüglich Preissenkungen liess sich kein gemeinsamer Nenner finden. Jedoch waren sich alle einig, dass Apotheken eine neue Versorgungsstruktur aufbauen und damit einen Mehrwert schaffen, der auf einem anderen Kanal als dem Medikamentenpreis vergütet werden muss.
Wie sage ich‘s dem Patienten?
Nach dem Podium lud das Team des Forums zum traditionellen Workshop ein. Dieser thematisierte Preise von Dienstleistungen, neue Tarife und unterschiedliche Zahlungskanäle, welche unter Patienten und anderen Partnern des Gesundheitswesens regelmässig Verwirrung stiften. Es zeigte sich, wie schwierig das administrative Irrenhaus im Gesundheitswesen der Bevölkerung nachvollziehbar zu erklären ist. Dennoch muss diesem Thema mehr Beachtung geschenkt werden, da Apotheken noch immer stark über die Kostenseite wahrgenommen werden.
Wie immer gab der Apéro am Schluss allen Teilnehmenden die Gelegenheit, sich auszutauschen und den gelungenen Anlass an diesem warmen Herbsttag ausklingen zu lassen.
Der Verein Forum Pharmazie bedankt sich beim Hauptsponsor Mepha und den Co-Sponsoren Galexis, IFAK DATA, Ofac, Pharmavital, PharmaFocus, topPharm und Viollier für die Unterstützung bei der Durchführung.